For-Future-Bewegungen betonen Zusammenhänge zwischen Umweltzerstörung und Pandemie — Antwort an Ministerpräsident Hans

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Die For-Future-Klimagerechtigkeitsbewegungen im Saarland haben ein Antwortschreiben zu dem Brief verfasst, den Ministerpräsident Tobias Hans Ende Januar als Erklärung zur Pandemielage an alle Haushalte im Saarland versenden ließ.

Darin ruft wir den saarländischen Regierungschef dazu auf, die Corona-Pandemie als das anzuerkennen, was sie laut Wissenschaft mit großer Wahrscheinlichkeit ist: eine menschengemachte Umweltkatastrophe, die durch die anhaltende Zerstörung von Ökosystemen verursacht ist.

Wir appellieren an Tobias Hans, das wissenschaftlich Notwendige zu tun, präventiven Natur-, Umwelt- und Klimaschutz unter der Herstellung von sozialer Gerechtigkeit zu betreiben, um den schlimmsten Auswirkungen von Umweltkatastrophen vorzubeugen.


Unser Antwortschreiben an Ministerpräsident Tobias Hans vom 3.2.21:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

herzlichen Dank zunächst einmal für Ihren ermutigenden Brief in dieser schwierigen Zeit.

Gewundert hat uns jedoch, dass Sie die Corona-Pandemie als „Naturkatastrophe“ bezeichnen, obwohl sie allem Anschein nach eine Umweltkatastrophe ist.

Der Weltbiodiversitätsrat IPBES beschreibt in seinem Sonderbericht von Oktober 2020 den Zusammenhang zwischen Pandemien und der anhaltenden Zerstörung von Ökosystemen.

Verantwortlich für die „rapide steigende“ Wahrscheinlichkeit häufigerer globaler Epidemien sei die dadurch entstehende größere Nähe zwischen Menschen und Wildtieren.(1)(2)

Es handelt sich also nicht wie bei einer Naturkatastrophe um ein reines Naturphänomen, auf das der Mensch keinen Einfluss hat.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat diese Zusammenhänge auch beim 11. Petersberger Klimadialog im

April letzten Jahres aufgegriffen und die Bedeutung von Artenschutz und Naturschutz zur Prävention von Infektionskrankheiten betont.(3)

Zudem erhöht laut der Weltgesundheitsorganisation WHO die menschengemachte Klimakatastrophe das Risiko neuer Pandemien.(4)

Wissenschaftler*innen warnen schon seit Langem vor diesem Risiko. Es ist von Menschen gemacht, weil diese die Ausbreitung von Viren und deren Überspringen von Tieren auf unsere Spezies provozieren: durch das Eindringen in Habitate von Tieren, in denen wir nichts zu suchen haben; durch die Einengung und Zerstörung von deren Lebensraum; durch Massenhaltung von sogenannten Nutztieren auf engem Raum bis hin zum Extrem der Lebendtiermärkte. Und wenn die Pandemie auftritt, wird die weitere Ausbreitung durch prekäre Tierhaltung und Arbeitsbedingungen in der Fleisch-Massenproduktion begünstigt, wie in Deutschland geschehen.(5)(6)

Die aktuelle Covid-19-Pandemie ist schon die dritte durch Coronaviren ausgelöste Epidemie nach SARS und MERS.

Die nächsten Pandemien stehen uns laut der Wissenschaft schon bevor. Die Asiatische Tigermücke, ein potenzieller Überträger mehrerer Viruserkrankungen, ist in den Raum Freiburg eingewandert. 2019 ereignete sich der erste Fall von West-Nil-Fieber in Deutschland, das von einer Stechmücke in

Deutschland übertragen wurde. Ein Jahr später gab es bereits rund 10 Fälle in Leipzig und Berlin. Das eingewanderte Virus kann nur bei den inzwischen durch die Erderhitzung höheren Temperaturen in Deutschland überwintern. Eine Impfung gibt es nicht.(7)

Es ist notwendig, aber nicht annähernd ausreichend, das Gesundheitswesen besser gegen diese Gefahren zu wappnen. Prävention ist das Gebot und das bedeutet, die Ursachen zu bekämpfen.

Wir alle sind dazu aufgefordert, allen voran die Politik, und deshalb brauchen wir hier Ihr Engagement. Gesetze müssen eine sozial-ökologisch nachhaltige Lebensweise ermöglichen und einfach machen sowie die Zerstörung unserer Umwelt beenden. Nur so können noch gefährlichere gesundheitliche Katastrophen (und das heißt: viel Leid und Todesfälle) verhindert werden, denen keine Gesellschaft und kein Gesundheitswesen mehr gewachsen sein wird.

Die zahlreichen aktuellen sozial-ökologischen Krisen zeigen die dringende Notwendigkeit, dass wir uns als Gesellschaft schnell und konsequent auf den Weg einer nachhaltigen Entwicklung begeben müssen, die die Lebensgrundlagen heutiger und zukünftiger Generationen schützt statt sie weiter zu zerstören. Unverzichtbar spielt die Herstellung von sozialer Gerechtigkeit dabei eine zentrale Rolle.

Wir appellieren an Sie, die Handlungsspielräume, die wir jetzt noch haben, umfassend zu nutzen, um die

Auswirkungen von absehbaren Umweltkatastrophen möglichst gering zu halten. Die Sicherheit und das Wohlergehen der Menschen, der gesellschaftliche Zusammenhalt, die Demokratie, die Freiheit und der Frieden stehen auf dem Spiel.

Für die Bewältigung dieser riesigen Herausforderung wünschen wir Ihnen ganz viel Mut, Optimismus, einen klaren Blick für Lösungen sowie Unterstützung und Rückhalt aus der Bevölkerung.

Die For-Future-Bewegungen freuen sich auf Ihre baldige Einladung für ein weitergehendes Gespräch.

Mit klimafreundlichen Grüßen

Fridays for Future Saarland

Parents for Future Saarland

Scientists for Future Saarland
(im Klimaschutz engagierte Wissenschaftler a.d. Hochschulen d. Saarlandes)

Health for Future Homburg/Saar

Quellen:

  1. Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services | IPBES (2020): “IPBES Workshop on Biodiversity and Pandemics – Workshop Report”. https://ipbes.net/sites/default/files/2020-10/20201028 IPBES Pandemics Workshop Report Plain Text Final_0.pdf
  2. Keesing, F., Belden, L., Daszak, P. et al. Impacts of biodiversity on the emergence and transmission of infectious diseases. Nature 468:647–652 (2010). https://doi.org/10.1038/nature09575
  3. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (2020): “Rede von Bundeskanzlerin Merkel im Rahmen des XI. Petersberger Klimadialogs am 28. April 2020 (Videokonferenz)”, Berlin, Abschnitt 13ff.
    https://www.bundeskanzlerin.de/bkin-de/aktuelles/rede-von-bundeskanzlerin-merkel-im-rahmen-des-xi-petersbergerklimadialogs-am-28-april-2020-videokonferenz–1748018
  4. World Health Organization | WHO (2003): “Climate change and infectious diseases”, In: Climate change and human health – risks and responses, Summary, S. 16-17. https://www.who.int/globalchange/climate/en/chapter6.pdf
  5. Mills, J.N., Gage, K.L and Khan, A.S. Potential Influence of Climate Change on Vector-Borne and Zoonotic Diseases: A Review and Proposed Research Plan Environ Health Perspect 118:1507–1514 (2010), https://ehp.niehs.nih.gov/doi/full/10.1289/ehp.0901389.
  6. Altizer, S., Ostfeld, R.S., Johnson, P.T.J. et al. Climate Change and Infectious Diseases: From Evidence to a Predictive Framework. Science 341:514-519 (2013). https://science.sciencemag.org/content/341/6145/514.full
  7. McMichael, A.J., Woodruff, R.E., Hales, S. Climate change and human health: present and future risks. Lancet 367: 859–69 (2006)

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Rune

Mitbegründer von Parents for Future Saarland Kümmerte sich 50 Jahre nicht ums Klima, kämpft aber die nächsten 50 Jahre für wirksamen Klimaschutz zum Wohle der nachfolgenden Generationen

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Rune

    Ministerpräsident Tobias Hans hat hat Vertreter*innen der For-Future-Bewegungen im April zu einem Treffen in die Staatskanzlei eingeladen.

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